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Einbau eines Entrauchungssystems in Bestandsbauten

Entrauchungssystem Bestandsbau

Warum überhaupt nachrüsten?

Ältere Gebäude besitzen häufig entweder gar kein Rauchabzugssystem oder nur einfache

Daueröffnungen, die heutigen Sicherheits‑ und Energieanforderungen nicht genügen.

Daraus entstehen drei zentrale Risiken:

Gefährdung von Personen: Rauch verteilt sich schnell über Treppen‑, Aufzugs‑

oder Installationsschächte und kann Fluchtwege unbenutzbar machen.

Rechtliche und versicherungstechnische Probleme: Wird an der Haustechnik

etwas modernisiert, gilt das oft als „wesentliche Änderung“ im Sinne der

Bauordnung. Ohne zeitgemäßen Rauchabzug kann die Betriebserlaubnis gefährdet

sein.

Verlust von Heiz‑ und Kühlenergie: Daueroffene Öffnungen widersprechen dem

Gebäudeenergiegesetz (GEG) und treiben die Betriebskosten hoch.

 

Rechtliche und normative Grundlagen

Für Bestandsumbauten gelten dieselben Kernregelungen wie im Neubau, allerdings mit

einigen Nachrüstspezifika:

Muster‑/Landesbauordnungen (§ 39): Bereits vorhandene Öffnungen dürfen

verschlossen werden, wenn stattdessen eine automatisch öffnende

Rauchabzugsanlage installiert wird.

DIN 18232‑Reihe: Teil 2 regelt die Bemessung natürlicher Systeme (NRA), Teil 5 die

mechanischen (MRA), Teil 10 (Entwurf 2024 – voraussichtlich bald verbindlich)

beschreibt Mindestanforderungen an Planung, Montage, Abnahme und Wartung.

DIN EN 12101‑2/3/6/10: Produktnormen für Klappen, Ventilatoren,

Energieversorgung und Steuerungen; nur zugelassene Komponenten dürfen

verbaut werden.

GEG 2020 (§ 13, § 26): Öffnungen in der Gebäudehülle sind nur zulässig, wenn sie

im Normalbetrieb luftdicht schließen und im Brandfall sicher öffnen.

VDI 3819 Blatt 2: Liefert praktische Hinweise zur Integration der RWA in die

Technische Gebäudeausrüstung (TGA).

 

Typischer Projektablauf von der Idee bis zur Abnahme

1. Bestandsaufnahme

Baujahr, Schacht‑ und Dachaufbau, statische Reserven, vorhandene

Lüftungsöffnungen und heutige Wärmeverluste werden ermittelt.

2. Brandschutzkonzept

Gemeinsam mit Sachverständigen und Behörde werden Schutzziele (Evakuierung,Sach‑ oder Kulturgutschutz) definiert und in ein genehmigungsfähiges Konzept

überführt.

3. Systemauswahl

Je nach Geometrie und Nutzung entscheidet man sich für natürliche Klappen

(NRA), mechanische Ventilatoren (MRA) oder hybride Kits wie das enev‑kit, das

einen luftdichten Abschluss mit Sensor‑ und Steuertechnik kombiniert.

4. Detailplanung

Berechnung der aerodynamisch wirksamen Fläche (Aa) bzw. des erforderlichen

Volumenstroms, Festlegung der Nachströmöffnungen, statische Prüfung von Dach-

oder Fassadendurchbrüchen, Abstimmung der Leitungswege.

5. Montage

Oft wird vorgefertigt und mit Kran oder Hubsteiger gearbeitet, um den laufenden

Betrieb so wenig wie möglich zu stören. Staub‑ oder Lärmschutzmaßnahmen sind

im Bestand besonders wichtig.

6. Inbetriebnahme und behördliche Abnahme

Funktions‑ und Stromausfalltests, Rauchversuche oder Luftstrommessungen

werden dokumentiert. Ein Prüfbuch und ein Wartungsvertrag nach DIN 18232‑10

gehören zur Übergabe.

 

Technische Optionen für die Nachrüstung

Natürliche Rauchabzugsgeräte (NRWG): Lichtkuppeln, Lamellen‑ oder

Klappflügel, geprüft nach DIN EN 12101‑2, eignen sich, wenn bereits eine

Dachöffnung vorhanden ist oder leicht geschaffen werden kann.

Mechanische Ventilatoren (MRA): Erforderlich bei tiefen, fensterlosen Hallen oder

komplizierten Raumgeometrien; Ventilatoren müssen nach DIN EN 12101‑3

zugelassen sein und sicher mit Notstrom versorgt werden.

Schachtlösungen wie enev‑kit oder HVS: Spezialisierte Systeme für

Aufzugsschächte; sie vereinen luftdichte Klappen, Rauch‑ und Klimasensorik,

Steuer‑ und Anbindung an die Aufzugssteuerung und reduzieren zugleich

Energieverluste.

Hybride Anlagen: Klappen mit Doppelfunktion für Tageslicht‑ und Lüftungsnutzung,

die im Brandfall automatisch in den RWA‑Modus wechseln.

 

Häufige Stolpersteine – und wie man sie umgeht

Fehlende statische Reserven: Alte Dachträger tragen das Gewicht moderner

Klappen nicht. Abhilfe schaffen leichtere Klappentypen oder das Nachrüsten eines

Stahlrahmens.

Unzureichende Nachströmfläche: Wenn zu wenig Frischluft nachströmt, bildet

sich keine raucharme Schicht. Planer sollten Nachströmöffnungen mindestens

1,5‑mal so groß wie die Abzugsfläche dimensionieren.Späte oder fehlende Behördenabstimmung: Anforderungen ändern sich im

Projektverlauf. Frühzeitige und regelmäßige Abstimmungen vermeiden teure

Planungsänderungen.

Keine Wartungsstrategie: Ein Entrauchungssystem ohne Wartungsvertrag ist im

Ernstfall funktionslos. DIN 18232‑10 verlangt schon im Bauvertrag klare

Regelungen zu Wartung und wiederkehrender Prüfung.

 

Energie‑ und Fördervorteile

Luftdicht schließende Klappen der Klasse 2 oder besser können – je nach Größe und

Klima – Heizwärmeverluste um bis zu 150 000 kWh pro Jahr senken. Diese Einsparungen

qualifizieren viele Projekte für die Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG) oder

günstige KfW‑Kredite. Noch attraktiver wird die Wirtschaftlichkeit, wenn das System mit

PV‑gestütztem Notstrom oder einer Lithium‑USV kombiniert wird.

 

Wartung und Betrieb im Alltag

Jährliche Funktionsprüfung: Auslösung, Endlagenabfrage und Störungsmeldung

müssen getestet und protokolliert werden.

Dreijährliche Fachwartung: Rauchtest oder lufttechnische Messung sowie

Inspektion der elektrischen Komponenten.

Documentation: Alle Prüfergebnisse gehören in ein kontinuierlich geführtes

Prüfbuch; eine Schnittstelle zur Gebäudeleittechnik erleichtert das Monitoring.

Der nachträgliche Einbau eines Entrauchungssystems ist technisch beherrschbar,

rechtlich oft unumgänglich und energetisch lohnend. Wer eine gründliche

Bestandsanalyse durchführt, früh ein abgestimmtes Brandschutzkonzept erarbeitet und

auf zugelassene, luftdichte sowie wartungsfreundliche Produkte setzt, erhöht die

Sicherheit, senkt Betriebskosten und steigert den Immobilienwert – ohne den

Gebäudebetrieb länger als nötig zu unterbrechen.

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